Wissenschaftliche Texte: Titelgebung

Computer Laptop 4

In diesem Beitrag werde ich die Titelgebung in wissenschaftlichen Texten näher beleuchten.

Die Titel und Zwischentitel stellen ein besonderes Kennzeichen von wissenschaftlichen Texten dar.

Die Titel haben im Allgemeinen die Aufgaben, den Inhalt des Textes prägnant widerzuspiegeln oder auf einen besonderen Aspekt hinzudeuten. Darüber hinaus versuchen die Autorinnen und Autoren mittels der Titel Interesse für ihre Texte bei der Leserschaft zu wecken.

Bei den wissenschaftlichen Texten sind die Titel hauptsächlich auf eine sachbezogene Ankündigung des Inhalts ausgerichtet. Außerdem haben die Titel wissenschaftlicher Texte laut Dietz (1998, S. 618) in der Fachkommunikation die wichtige Aufgabe der präzisen Wiedererkennung dieser Texte, d. h. dem Autor soll es gelingen, bei der Titelgebung eine eindeutige Differenzierung von seinen früher verfassten Texten, aber auch von den Texten anderer Autoren zu schaffen.

Neben der eindeutigen Differenzierung nennt Dietz (1998, S. 618) auch weitere Aufgaben der Titel in wissenschaftlichen Texten, wie etwa eine erste Einführung in die Thematik des Textes, das Wecken von Leseinteresse, Orientierungshilfe im Text während des Lesens sowie Charakterisierung des Textes.

Die Titel wissenschaftlicher Texte können als Aussage meistens in Form einer Nominalgruppe ohne Verb oder auch als Frage formuliert werden. Dietz (1998, S. 621) stellt fest, dass „Titel[…] in Frageform“ meistens für die in den Geistes- und Sozialwissenschaften veröffentlichten Texte kennzeichnend sind und dass solche Titel Ansätze oder Aussagen infrage stellen, „kritische Anknüpfungen an den jeweiligen Fachdiskurs“ darstellen und dadurch „einen höheren Appellwert“ haben [Hervorhebungen im Original wurden weggelassen].

Die als Frage formulierten Titel erzielen eine besondere Wirkung, da sie den Leser zum Mitdenken und zur Diskussion herausfordern. Zum Beispiel betitelt Ammon (1998) seine viel zitierte Publikation mit der Frage „Ist Deutsch noch internationale Wissenschaftssprache? Englisch auch für die Lehre an den deutschsprachigen Hochschulen“. Diese Frage leitet eine provokatorische These ein, die keine neutrale Haltung zulässt. Der Titel regt zu einer Auseinandersetzung mit dem angedeuteten Thema an, nämlich die Stellung des Deutschen in der internationalen Wissenschaftskommunikation.

Ein weiteres verbreitetes Verfahren bei der Titelformulierung wissenschaftlicher Texte ist nach Dietz (1998, S. 621) der „zweigliedrige Titel“, der sich „aus einem semantisch oder syntaktisch unterdeterminierten Obertitel und einem informativen Untertitel“ zusammensetzt. So versieht z. B. Helfferich (2011) ihre Publikation mit dem Titel „Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews“.

Neben dem Haupttitel werden in wissenschaftlichen Texten auch untergeordnete Titel und Überschriften verwendet, die den Text strukturieren und dessen Lesen erleichtern. Dietz (1998, S. 622) zufolge sind solche „Zwischentitel“, nämlich „Kapitelüberschriften“, insbesondere für geisteswissenschaftliche Texte erforderlich, da diese einen relativ geringen Normierungsgrad aufweisen und dementsprechend zusätzliche Orientierungshilfen im Text in Form von ausdrucksstarken und inhaltsreichen „Zwischentitel[n]“ brauchen [Hervorhebungen im Original wurden weggelassen].

Wie oben bereits erwähnt, besteht eine der Aufgaben der Titel darin, das Interesse bei der Leserschaft zu wecken. Dafür soll der Titel so formuliert werden, dass er die Leserschaft anspricht, d. h., der Titel soll bei der Leserschaft idealerweise den Eindruck hinterlassen, mehr von diesem Thema wissen und dementsprechend den betreffenden Text lesen zu wollen. Aber nicht nur in literarischen Texten, sondern auch in wissenschaftlichen kann das Wecken des Interesses bei der Leserschaft angestrebt werden. Dietz (1998, S. 621) nennt dabei unterschiedliche „‚rhetorische[…]‘ Verfahren“ für die Formulierung der Titel, die zum Wecken von Leseinteresse eingesetzt werden können:[1]

  • „Wiederholungsstrukturen auf der Ebene von Lauten“ [Hervorhebung im Original wurden weggelassen], z. B. „Persiflage und Prototypikalität“ (Roelcke 2010, S. 208), „Kopieren statt kapieren?“ (Niederhauser 2011, S. 18), Exaktheit und Eindeutigkeit von Fachwörtern“ (Roelcke: 2010, S. 68) [Hervorhebungen durch die Verf.];
  • Wiederholungen von „Lautgruppen“, z. B. „Widerstände, Widerwille und Blockaden“ (Niederhauser 2011, S. 8) [Hervorhebungen durch die Verf.];
  • Wiederholungen von „Lexemen“, z. B. „Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews“ (Helfferich 2011), „Zur Wissenschaftlichkeit wissenschaftlicher Arbeiten“ (Niederhauser 2011, S. 6), „Wörterbuchbearbeitung und Wörterbuchbenutzung“ (Roelcke 2010, S. 144) [Hervorhebungen durch die Verf.];
  • der Einsatz von Metaphern, z. B. „Lust und Last des wissenschaftlichen Schreibens“ (Niederhauser 2011, S. 37);
  • „Mehrdeutigkeit“, z. B. „Schneeballsystem“ (Andermann, et al. 2006, S. 38);
  • „Widersprüchlichkeit“, z. B. „Trotz Ablenkungen immer wieder in die Tasten oder zum Schreibstift greifen“ (Niederhauser 2011, S. 40), „Fröhliche Wissenschaftssprache“ (Roelcke 2010, S. 208).

[1] Als Beispiele werden hier sowohl Titel von Publikationen als auch Zwischentitel aufgeführt, da sich die Verfahren zum Wecken des Leseinteresses m. E. auch bei der Formulierung von Zwischentiteln angewendet werden können und somit das Leseinteresse während des ganzen Leseprozesses aufrechterhalten.


Buch GraphikQuellen:

Dietz, Gunther (1998): Titel in wissenschaftlichen Texten. In: Hoffmann, Lothar; Kalverkämper, Hartwig; Wiegand, Herbert Ernst (Hrsg.) (1998): Fachsprachen – Languages for Special Purposes. Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. Bd. Halbbd. 1. (HSK 14.1). Berlin [u.a.]: de Gruyter, S. 617-624.


Buch GraphikQuellen der Beispiele für die Titel:

Ammon, Ulrich (1998): Ist Deutsch noch internationale Wissenschaftssprache? Englisch auch für die Lehre an den deutschsprachigen Hochschulen. Berlin/ New York: de Gruyter.

Andermann, Ulrich; Drees, Martin; Grätz, Frank (2006): Duden. Wie verfasst man wissenschaftliche Arbeiten? Ein Leitfaden für das Studium und die Promotion. 3., völlig neu erarb. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut.

Helfferich, Cornelia (2011): Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. 4. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Niederhauser, Jürg (2011): Duden Praxis kompakt. Die schriftliche Arbeit. Mannheim: Bibliographisches Institut.

Roelcke, Thorsten (2010): Fachsprachen. 3., neu bearb. Aufl. (Grundlagen der Germanistik 37). Berlin: Erich Schmidt Verlag.


Weiterlesen: → Online-Lernplattformen als Instrument zum selbstständigen Lernen

Weiterlesen: → Wissenschaft und Sprache

Weiterlesen: → Übung zur Wissenschaftssprache